Esst mehr Nüsse!

Allgemein

Eigentlich geht es in diesem Blog ja um rezeptfreie Arzneimittel, um Pflanzenkraft und Hausmittel, kurzum um Selbstmedikation. Heute mache ich eine Ausnahme und widme mich den Nüssen. Zum einen, weil auch ich in Apfel, Nuss und Mandelkern-Stimmung bin, ist ja schließlich Vorweihnachtszeit. Zum anderen, weil die Nuss eine Art urzeitliche Tablette ist, wenn man so will: klein und rund und voller Wirkstoffe. Das wurde mir spätestens klar, als ich für BRIGITTE woman darüber geschrieben habe, mit der Recherchehilfe meiner längjährigen Kollegin Katrin Steffens. Erschienen ist der Text in Heft 01/2017, ich habe ihn nur nochmal ein bisschen aktualisiert. Aber lesen Sie selbst.

Ja, Nüsse haben reichlich Kalorien. Trotzdem machen sie nicht dick

Als ich neun Jahre alt war, machte meine große Schwester ihre erste Diät. Darum wusste ich schon sehr früh, was eine Kalorie ist. Und dass Nüsse voll davon sind, hatte ich auch schnell kapiert. 50 Gramm haben bis zu 350 Kalorien, das war doch wohl das Letzte, was man wollte. Da war ja ein Raider besser! Aber das war ja auch die Zeit, in der als gesund galt, was fett- und kalorienarm war, also auch Zusatzstoff-Cocktails wie Cola light oder Du-darfst-Produkte.

Nüsse schützen vor den ernstesten Krankheiten

Das hat sich grundlegend geändert. Heute empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), eine Handvoll Nüsse (etwa 25 Gramm)  täglich zu knabbern. Denn regelmäßiger Nussverzehr schützt großen Studien zufolge effektiv vor Herzerkrankungen, Diabetes, Schlaganfällen, Gedächtnisschwäche, um nur einiges zu nennen. Und das Neueste: Heute geht man davon aus, dass Nüsse sogar schlank machen. Spätestens seit der viel beachteten Predimed-Studie stehen die gut verpackten Samen ganz oben auf der Liste der „guten“ Lebensmittel. In dieser 2013 veröffentlichten spanischen Untersuchung (PREvención con DIeta MEDiterránea) ging es zunächst darum herauszufinden, was eine Mittelmeer-Ernährung mit vielen guten Fettsäuren für die Gefäße tun kann, also um Herzinfarkt und Schlaganfall zu verhindern.

Über 7400 Menschen machten mit, alle hatten ein erhöhtes Risiko für eine Gefäßerkrankung, etwa weil sie Diabetiker waren oder erhöhte Cholesterinwerte hatten. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip auf verschiedene Gruppen verteilt. Darunter eine, die mediterran aß und zudem 30 Gramm Nüsse am Tag zu sich nahm (15 Gramm Walnüsse und je 7,5 Gramm Mandeln und Haselnüsse). Eine andere aß fettarm und mit Kalorienbegrenzung. Heraus kam, was die Überzeugungen der Achtzigerjahre endgültig in den Bereich der Mythen beförderte: Nach vier Jahren und zehn Monaten hatten die Nussesser 30 Prozent weniger Herzinfarkte und Schlaganfälle. Die Studie bestätigt in eindrucksvoller Weise den günstigen Einfluss einer mediterranen Kost auf das kardiovaskuläre Risiko, so die Experten damals. Und sie zeigt, dass all das Fettsparen der vergangenen Jahrzehnte, das man ja nicht nur der schlanken Linie wegen, sondern eben auch der Gesundheit zuliebe betrieben hat, gar nicht nötig gewesen wäre.

Nüsse kurbeln die Wärmeproduktion an

Wie sich das Körpergewicht der Studienteilnehmer entwickelt hatte, darüber sagte die Untersuchung zunächst nichts. 2016 erschien nun eine weitere Auswertung der Daten, die ganz kurze Fassung lautet: Die Nussesser schnitten auch hier etwas besser ab als die Fettsparer, genauso war es beim gefährlichen Bauchfett. Andere Studien bestätigen die Tendenz, eine zeigt sogar eine „inverse Korrelation“, also den gegensätzlichen Zusammenhang zwischen Nussverzehr und Übergewicht. Zu Deutsch: Je mehr Nüsse man isst, desto schlanker bleibt man.

Wie kann das sein? Nüsse sind wirklich sehr kalorienreich, eine Macadamianuss besteht zu 73 Prozent aus Fett, bei der vergleichsweise fettarmen Cashew sind es immer noch 42. Offensichtlich landen aus irgendeinem Grund die Kalorien aus Nüssen und Kernen nicht alle auf den Hüften. Vermutlich, weil Nüsse mit ihren vielen Ballaststoffen und dem hohen Fett- und Proteingehalt sehr gut sättigen, sodass man insgesamt womöglich gar nicht mehr Kalorien zu sich nimmt. Außerdem kurbeln sie offenbar die Wärmeproduktion an, und das verbrennt Energie.

Es sind nicht die guten Fette allein

Für die guten Effekte von Nüssen wurden auf Anhieb die ungesättigten Fettsäuren darin (wie etwa die begehrten Omega3-Fettsäuren) verantwortlich gemacht. Schließlich wusste man aus früheren Studien, dass sie unter anderem das Verhältnis von gutem und schlechtem Cholesterol (HDL/LDL) verbessern können. Doch es ist längst noch nicht klar, ob sie es wirklich allein sind. Denn die Ergebnisse der verschiedenen Studien liegen dicht beieinander, obwohl jeweils unterschiedliche Nüsse im Fokus standen bzw. oft der allgemeine Nusskonsum abgefragt wurde. Und die einzelnen Nusssorten enthalten ganz unterschiedlich viele der verschiedenen guten Fettsäuren. Der Verdacht liegt darum nah, dass auch andere Inhaltsstoffe zu den positiven Effekten beitragen.

Nüsse haben schließlich noch viel mehr zu bieten: reichlich Ballaststoffe, hochwertige Aminosäuren wie L-Arginin, Vitamine (wie Vitamin E, Vitamin B6, Folsäure, Niacin), Mineralstoffe (wie Magnesium und Kalium), Spurenelemente (wie Eisen, Zink, Selen, Kupfer) und sekundäre Pflanzenstoffe (wie Polyphenole), die alle eine Rolle spielen könnten. Nüsse sind randvoll mit gesunden Substanzen, ein wahrer Cocktail daraus. In puncto Antioxidantien halten sie dabei locker bei Superfoods wie Blau- oder Gojibeeren mit, zeigen Untersuchungen des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums. Ganz vorn ist hier die Pekannuss, gefolgt von der in Europa verbreiteteren Walnuss.

Nüssen bedienen die Bedürfnisse unserer Zeit

So weit die harten Fakten. Erstaunlich an Nüssen ist aber auch, wie sehr sie auf die Bedürfnisse unserer Zeit einzahlen: Sie fügen sich geschmeidig in die aktuellen Ernährungtrends ein, passen zur Steinzeiternährung Paleo wie zum Clean Eating, bei dem man auf prozessierte Lebensmittel und Zusatzstoffe verzichtet. Auch beim Hype um die Darmflora, die wesentlich von unserer Ernährung abhängt, kommt die Nuss ins Spiel: Ballaststoffe sind nun mal das Lieblingsfutter unserer „guten“ Darmbakterien. Und gerade ungeschälte Kerne sind reich daran, allen voran die Mandel. Einer chinesischen Studie zufolge fördert gerade ihre ballaststoffreiche Haut das Wachstum der hocherwünschten Bifidobakterien, und zwar sogar besser als das bewährte Präbiotikum (Bakterienfutter) Oligofruktose.

Nüsse sind ein tadelloser Fleischersatz

Vegetarier lieben sie, denn mit ihren wertvollen Eiweißen und einem Eisengehalt, der etwa bei Haselnüssen über dem von Rindfleisch liegt, sind sie ein tadelloser Fleischersatz. Veganer wollen sie nicht mehr missen, schließlich ermöglichen sie – fein püriert wie in Mandelmus oder Erdnussbutter – schwelgerisch-schmelzende Konsistenzen, wie es sonst nur Sahne schafft. Wer jeden Tag woanders seinen Laptop aufklappt, schätzt sie wegen ihrer guten Transportfähigkeiten. Sie zerquetschen garantiert nicht und sind dabei so viel gesünder als was vom Bäcker.

Das ist sogar genauestens untersucht: Eine Studie, für die die Teilnehmer über zwölf Wochen hinweg jeden Tag entweder gut 40 Gramm Mandeln oder einen Bananenmuffin mit gleich viel Kalorien aßen, verglich verschiedene Risikofaktoren für Herzkrankheiten wie das Gesamtcholesterin und das Verhältnis von „gutem“ zu „schlechtem“ Cholesterin bei Mandel- und bei Muffinessern – und natürlich standen die Mandelesser besser da. Und weniger Bauchfett hatten sie auch. Mal ganz abgesehen davon gilt die Nuss als „Brainfood“: Das Gehirn benötigt Omega-3-Fettsäuren, um optimal arbeiten zu können. Denn sie sind wichtig für die Funktion der Nervenzellmembranen, an denen die Informationsübertragung und -speicherung stattfindet. Eine neue Auswertung der riesigen Datenmengen aus der bekannten Nurses Health Study (mit fast 55 000 Teilnehmerinnen, die über 30 Jahre hinweg Auskunft gaben) zeigte vor einigen Jahren: Frauen, die ein- bis zweimal pro Woche eine Handvoll Walnüsse essen, haben im Alter weniger körperliche Gebrechen und können länger selbstständig leben.

Jede Sorte hat ihre speziellen Vorteile

Und welche Nuss ist jetzt die beste? Das kann man so nicht sagen. Jede hat ihre speziellen Eigenschaften, die Erdnuss ist sehr eiweißreich, Mandel und Haselnuss liefern viel Kalzium, die Walnuss viel Zink, Selen und Vitamin E. Aber nach dem derzeitigen Kenntnisstand ist jede supergesund, es gibt also vermutlich keine bessere oder schlechtere Nuss, nur besser und schlechter untersuchte. Streng genommen sind Cashewkerne, Mandeln und Pistazien auch gar keine Nüsse, sondern Steinfrüchte (wie Kirschen und Pfirsiche), die Erdnuss ist eine Hülsen- und die Macadamia eine Balgfrucht. Aber das tut hier nichts zur Sache.

Und auch bei der Frage, wie man die Nuss am besten vernascht, gibt es kein eindeutiges Ranking: Ungesalzene rohe Nüsse gelten als besonders verträglich, andererseits zeigte eine Studie im Jahr 2011, dass geröstete Cashewkerne sogar mehr Antioxidantien haben als rohe Cashews und der Körper Magnesium und Kalzium besser daraus aufnehmen kann. Klar ist nur, dass stark gesalzene bzw. gewürzte Nüsse ein Schlusslicht bilden. Aber die liegen selten auf dem bunten Teller. Also Bahn frei auf dem Weg dorthin – und her mit den Nüsschen und den Mandeln. Und natürlich auch mit dem Marzipan und den Haselnussmakronen. Denn gesünder kann man nicht naschen.

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