Vaseline: fühlt sich an wie Fett, ist aber keins
Ich habe in den letzten Wochen zwei Haut-Themen geschrieben, die noch nicht erschienen sind, eins für BRIGITTE woman und eins für STERN gesund leben. Bei beiden Recherchen bin ich über Vaseline gestolpert, und mir fiel wieder auf, was für ein besonderer Stoff das ist. Ich hab hier mal die fünf Dinge zusammengefasst, die ich am interessantesten finde.
1. Vaseline ist kein Fett, obwohl sie sich so anfühlt
Das ist natürlich für den Apotheker sowieso das interessanteste: Vaseline fühlt sich an wie Fett und wird häufig auch als „fettig“ beschrieben, aber das trifft chemisch betrachtet nicht zu. Vaseline ist ein Gel: per Definition hält in einem Gel ein fester Stoff einen flüssigen fest. Im Fall von Vaseline, einem so genannten Isogel, sind beide Komponenten Kohlenwasserstoffe, bestehen also ausschließlich aus „C“s (Kohlenstoff) und „H“s (Wasserstoff). Je nach Länge und Verzweigung der Moleküle sind solche Kohlenwasserstoffe flüssig oder fest, die flüssigen werden als Mineralöle bezeichnet. Mineralöle sind also ganz anders aufgebaut als Fette und Öle, bei denen jedes Molekül aus Glycerol (aka Glycerin) und drei Fettsäuren zusammengesetzt ist. Mineralöle kommen anders als Fette im menschlichen Körper natürlicherweise nicht vor.
2. Vaseline ist ein Naturprodukt und dennoch umstritten
Vaseline ist ein Abfallprodukt der petrochemischen Industrie, sie setzt sich ab, wenn Erdöl gewonnen wird. Insofern kann man sie als Naturprodukt bezeichnen. Nachhaltig ist Vaseline nicht, denn Erdöl ist kein nachwachsender Rohstoff. Vaseline kann einen geringen Anteil an polyzyklischen aromatischen Verbindungen (PAK) enthalten, die im Verdacht stehen, krebserregend zu sein. Aber erstens müssen diese laut EU-Verordnung bei der Herstellung entfernt werden, was auch überprüft wird. Und zweitens ist inzwischen bewiesen, dass die Bestandteile von Vaseline in der Hornschicht (die oberste Hautschicht, deren Zellen abgestorben sind) bleiben und nicht in den Blutkreislauf kommen.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stellte 2018 fest, dass Vaseline bzw. Mineralöle nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand keine gesundheitliche Risiken für Verbraucherinnen und Verbraucher bei Anwendung kosmetischer Mittel auf der gesunden Haut erwarten lassen. Wer es ganz genau wissen will, sollte die „Fragen und Antworten zu Mineralöl in kosmetischen Mitteln“ lesen. Zertifizierte Naturkosmetik verzichtet auf Vaseline. Da sie auch auf Mikroplastik verzichtet, würde ich sie sowieso grundsätzlich vorziehen. Nur beim Hautschutz kommt vermutlich nichts an Vaseline heran.
3. Vaseline kann die Haut sehr gut schützen
Vaseline legt sich auf die Haut bzw. dringt nur ganz oberflächlich ein, ist ein so genannter Filmbildner. Das kann eine super Sache sein, zum Beispiel im Gesicht, wenn es draußen sehr kalt ist. Oder im Intimbereich, wenn man in Chlorwasser schwimmen will und empfindlich ist. Die Haut nähren kann Vaseline nicht, denn sie liefert nichts, was ihr fehlt. Wenn von ihren pflegenden Eigenschaften die Rede ist, dann können das nur solche sein, die durch bloße Anwesenheit eines Schmiermittels bzw. Schutzfilms zustande kommen. Ein solcher Film kann allerdings schon spürbar was verändern. Denn die Haut fühlt sich sofort besser an und ist auch vor mechanischen Belastungen (wie schubbernde Unterwäsche) gut geschützt.
4. Vaseline polstert Haut auf
Weil Vaseline so gut wie kein Wasser aufnimmt bzw. durchlässt, versiegelt sie die Haut. Das Wasser in der Haut kann nicht raus. Das nennt man Okklusionseffekt. Die Folge ist erstmal eine Aufpolsterung der obersten Hautschichten, die Hautzellen quellen und sehen prall aus – eine super Sache (die auch als pflegender Effekt bezeichnet wird). Aber leider nur für kurze Zeit. Denn wenn der Film wieder weg ist, wendet sich das Blatt, sagen Kritiker: Aus aufgequollener Haut verdunstet Wasser noch viel besser als im Normalzustand. Am Ende ist es ein Verlustgeschäft, oder zumindest ist es keine echte Pflege, wenn mit purer Vaseline gecremt wird. In Kombination mit nährenden Cremezutaten kann es schon wieder anders aussehen.
Bei entzündeter, sehr gut durchbluteter Haut kann Vaseline zu einem Wärmestau führen, auf nässender Haut ist sie schlichtweg ungeeignet. Das alles gilt allerdings auch für manche Pflanzenöle, die ebenfalls einen starken Okklusionseffekt haben, wie Mandelöl, Sojaöl, Avocadoöl und Kokosöl. Wer auf Dauer wirklich was für seine Hautbarriere tun will, kommt ohne geeignete Pflanzenöle nicht aus, am besten solche mit einem hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Omega-6-Fettsäuren. Wie z.B. der Linolsäure, aus der der Körper selbst Hautbarrierelipide (Linoyl-Ceramide) macht. Linolsäure steckt zum Beispiel in Nachtkerzen-, in Distel-, in Traubenkern- und in Sonnenblumenöl.
5. Vaseline reagiert mit fast gar nichts
Pflanzliche Öle werden ranzig und verderben, manche ziemlich schnell. Chemisch betrachtet heißt das, sie reagieren mit dem Sauerstoff aus der Luft. Vaseline dagegen reagiert praktisch gar nicht, es entstehen keine Abbauprodukte, die womöglich die Haut reizen. Die Kohlenwasserstoffe darin sind überaus stabil, darum werden sie (genau wie Erdöl ja auch) nicht schlecht. Weil sie so verträglich ist, wird Vaseline auch gern im Intimbereich genommen, wo nicht jede Salbengrundlage funktioniert (aber Vorsicht: Kondome kann sie undicht machen). Mal abgesehen davon ist ihr allergenes Potential winzig. Wo sie sich auch noch von Pflanzenölen unterscheidet, insbesondere von solchen mit tollen hautpflegenden Eigenschaften wie etwa dem Nachtkerzenöl: Sie ist total preiswert.
Zu Risiken und Nebenwirkungen schauen Sie in mein Impressum ( unter „Disclaimer“) und auf die Seite „Über mich und meine Website“.